Psychopharmaka III
Do Nov 09, 2023 12:36 pm
Psychopharmaka III
Verfasst am: 09.Mai.08 14:35 Nr: 1539 Titel:
Zunächst gehe ich auf Wirkungen und Nebenwirkungen der sogenannten "typischen" Neuroleptika ein, im Anschluss auf die später entwickelten "atypischen" Neuroleptika.
Nach ihrer Wirkung auf Psychosen werden Neuroleptika in "stark wirksame" und "schwach wirksame" unterschieden.
Beispiele für schwach wirksame Neuroleptika:
Levomepromazin, Sulpirid, Promazin und Chlorprothixen (Truxal)
Die Substanzen wirken stark beruhigend, dämpfend und schlaffördernd.
Schwächere Neuroleptika setzt man daher ein bei Erregungs-, Angst- und Spannungszuständen, bei Manien sowie bei Schlafstörungen.
Gegen Psychosen sind sie nicht ausreichend wirksam.
Stark wirksame Neuroleptika:
Zu dieser Untergruppe gehören zum Beispiel Haloperidol, Fluspirilen, Benperidol, Fluphenazin und andere.
Die Wirkstoffe werden bei akuten Psychosen, Schizophrenie und Wahnvorstellungen, etwa während des Alkoholentzugs, eingesetzt. Diese Neuroleptika machen weniger müde, wirken leicht antriebshemmend, aber stark gegen Psychosen.
Haloperidol,Fluphenazin und Fluspirilen sind Beispiele so genannter Langzeit- oder Depot-Neuroleptika.
Sie haben eine Wirkdauer von bis zu vier Wochenund werden intramuskulär gespritzt.
Das ist sinnvoll, wenn die Medikamente sonst oft vergessen werden.
Ganz kurz erwähnen will ich noch, dass Neuroleptika auch bei der Prämedikation für Narkosen zum Einsatz kommen.
_________________
Free your mind and your ass will follow!
Nach oben
Marion
Administrator
Geschlecht:
Alter: 52
Angemeldet seit: 03.11.2007
Beiträge: 3748
Verfasst am: 09.Mai.08 20:12 Nr: 1540 Titel:
Nebenwirkungen
Besonders häufig sind Bewegungsstörungen, die vom Gehirn ausgehen. Diese Bewegungsstörungen man "extrapyramidal-motorische Symptome".
Zu Beginn der Behandlung kommt es häufig zu so genannten Frühdyskinesien. Als Dyskinesien werden spontan auftretende, unwillkürliche Bewegungen,
zum Beispiel Zungen- und Blickkrämpfe bezeichnet.
Innerhalb weniger Wochen können Symptome einer durch Neuroleptika ausgelösten Parkinson-Erkrankung auftreten.
Bewegungsarmut (Akinese), erhöhte Muskelspannung (Rigor) und Zittern (Tremor) sind solche möglichen Symptome.
So genannte Spätdyskinesien treten erst nach länger dauernder Neuroleptika-Einnahme auf. Sie äußern sich zum Beispiel als Schmatz- und Zungenbewegungen.
Diese Symptome bleiben bei einigen Patienten auch nach Absetzen der Neuroleptika bestehen. Bei anderen Patienten kann es zu Bewegungsunruhe (Akathisie) kommen.
Dies meint die Unfähigkeit, ruhig sitzen bleiben zu können.
Je nach dem welche Dopaminrezeptoren ein typisches Neuroleptikum stärker blockiert, können sich die Auswirkungen stark unterscheiden.
So vermag ein gezielt auf die Rezeptoren D2 und D3 wirksames Neuroleptikum wie Tiaprid Bewegungsstörungen sogar zu unterdrücken.
Weitere unerwünschte Wirkungen der typischen Neuroleptika betreffen das vegetative Nervensystem.
Zu nennen sind hier unter anderem starke Müdigkeit, Mundtrockenheit, Schwitzen und Verstopfung.
Schwach antipsychotische Neuroleptika rufen meist weniger Bewegungsstörungen hervor als die stark auf Psychosen wirkenden Neuroleptika,
verursachen aber dafür mehr Störungen des vegetativen Nervensystems.
Die Nebenwirkungen sind teilweise behandelbar, jedenfalls die Frühdyskinesien.
Bei den atypischen Neuroleptika, die später entwickelt wurden als die typischen, liegt ein etwas anderes Wirkprinzip vor.
Neben unterschiedlich ausgeprägter Blockade der Bindungsstellen D1 bis D4 für Dopamin zeigen diese Substanzen meist noch hemmende Wirkungen auf Serotonin-Rezeptoren und Bindungsstellen anderer Botenstoffe im Gehirn.
Es kommt zu wesentlich weniger Nebenwirkungen als bei den typischen Neuroleptika. Besonders Bewegungsstörungen, aber auch Müdigkeit treten deutlich seltener auf.
Außerdem wirken atypische Neuroleptika besser als die typischen auf die Zeichen der so genannten Negativ-Symptomatik (Gefühlsverflachung, sozialen Rückzug, Antriebsmangel).
Atypische Neuroleptika sind besonders zur Rezidivprophylaxe geeignet.
Zu den atypischen Neuroleptika gehören die Wirkstoffe Sulpirid, Clozapin, Risperidon (Risperdal), Amisulprid, Quetiapin, Olanzapin, Ziprasidon und andere.
Generell ist bei einer Einnahme von Neuroleptika immer die möglicherweise eingeschränkte Reaktionsfähigkeit zu beachten,
auch bei den moderneren atypischen Wirkstoffen. Daher dürfen Neuroleptika auch nicht zusammen mit Alkohol und Beruhigungsmitteln
(die ebenfalls dämpfend wirken) eingenommen werden. Dies kann zu einer gefährlichen Wirkungsverstärkung führen.
Eine spezielle Nebenwirkung der Neuroleptika ist das so genannte maligne neuroleptische Syndrom.
Hier kommt es zu Fieber, Muskelsteifigkeit und Bewegungsstarre, aber auch zu Bewusstseinsstörungen, starkem Schwitzen und beschleunigter Atmung.
Das maligne neuroleptische Syndrom ist zwar sehr selten, aber möglicherweise lebensbedrohlich. Besonders junge Männer sind gefährdet.
_________________
Free your mind and your ass will follow!
Nach oben
Marion
Administrator
Geschlecht:
Alter: 52
Angemeldet seit: 03.11.2007
Beiträge: 3748
Verfasst am: 09.Mai.08 22:21 Nr: 1546 Titel:
abschließend zur Behandlung von psychotischen Erkrankungen und anderen schwerwiegenden psychischen Störungen, bei denen Neuroleptika zum Einsatz kommen:
Die Medikamente alleine sind nicht ausreichend zur Behandlung oder Vorbeugung. Immer soll die Behandlung umfassend sein und alle Lebensbereiche berücksichtigen, von Unterstützung bei der Wiedergewinnung alltäglicher Fähigkeiten wie Körperpflege, Ernährung, Tagesrhythmus, über Pflege von Talenten, der beruflichen Perspektive, der sozialen Beziehungen, der spirituellen Bedürfnisse und der Sinnfragen.
Eine Psychotherapie gehört auch dazu, wobei bei Menschen mit psychotischen Krankheiten hier sehr vorsichtig vorgegangen werden muss.
Ein Ruhigstellen und Wegsperren unter Psychopharmaka Ist nicht der Sinn der Behandlung.
Es gibt Ansätze, Menschen durch psychotische Phasen ohne Medikamente zu begleiten, mit einer 24stündigen Einzelbetreuung. Für einige mag das machbar sein, für andere wäre es ein echter Horrortrip.
Nach meiner Erfahrung gibt es kein ultimatives Rezept. Aber meine Erfahrung sagt auch, dass oft nicht verantwortungsvoll mit der Medikation umgegangen wird. Unser Gesundheitswesen ist eben nicht optimal ausgestattet und nicht wirklich individuell.
Da haben wir mit "unserer" Klinik großes Glück gehabt. Aber auch die Cadus können nicht alles bewältigen.
Ich möchte, trotz der vielen Nebenwirkungen die eintreten können, nicht gänzlich gegen Neuroleptika sprechen. Wie auch bei den anderen Medikamenten, können sie ein Segen sein und oft lebensrettend. Und wenn wir zurückschauen, wie kranke Menschen in Zeiten gelitten haben, bevor es diese Medikamente gab, dann können wir nur froh sein. Aber es gibt wie in allem auch einen Mißbrauch.
Damit hab ich den größten Teil der Standardmedikationen erwähnt glaube ich. Es gibt noch ein paar seltener verwendete Mitteln, wie z.B. Antiepileptika, die heute auch zur Phasenprophylaxe bei bipolaren Erkrankungen eingeetzt werden. Vielleicht schreib ich nochmal was dazu bei Gelegenheit.
Oder die Barbiturate, die alten Schlafmittel, die sehr suchterzeugend sind und deshalb kaum noch im Gebrauch.
Ansonsten tummel ich mich jetzt vielleicht mal eher im Bereich Diskussion....
Verfasst am: 09.Mai.08 14:35 Nr: 1539 Titel:
Zunächst gehe ich auf Wirkungen und Nebenwirkungen der sogenannten "typischen" Neuroleptika ein, im Anschluss auf die später entwickelten "atypischen" Neuroleptika.
Nach ihrer Wirkung auf Psychosen werden Neuroleptika in "stark wirksame" und "schwach wirksame" unterschieden.
Beispiele für schwach wirksame Neuroleptika:
Levomepromazin, Sulpirid, Promazin und Chlorprothixen (Truxal)
Die Substanzen wirken stark beruhigend, dämpfend und schlaffördernd.
Schwächere Neuroleptika setzt man daher ein bei Erregungs-, Angst- und Spannungszuständen, bei Manien sowie bei Schlafstörungen.
Gegen Psychosen sind sie nicht ausreichend wirksam.
Stark wirksame Neuroleptika:
Zu dieser Untergruppe gehören zum Beispiel Haloperidol, Fluspirilen, Benperidol, Fluphenazin und andere.
Die Wirkstoffe werden bei akuten Psychosen, Schizophrenie und Wahnvorstellungen, etwa während des Alkoholentzugs, eingesetzt. Diese Neuroleptika machen weniger müde, wirken leicht antriebshemmend, aber stark gegen Psychosen.
Haloperidol,Fluphenazin und Fluspirilen sind Beispiele so genannter Langzeit- oder Depot-Neuroleptika.
Sie haben eine Wirkdauer von bis zu vier Wochenund werden intramuskulär gespritzt.
Das ist sinnvoll, wenn die Medikamente sonst oft vergessen werden.
Ganz kurz erwähnen will ich noch, dass Neuroleptika auch bei der Prämedikation für Narkosen zum Einsatz kommen.
_________________
Free your mind and your ass will follow!
Nach oben
Marion
Administrator
Geschlecht:
Alter: 52
Angemeldet seit: 03.11.2007
Beiträge: 3748
Verfasst am: 09.Mai.08 20:12 Nr: 1540 Titel:
Nebenwirkungen
Besonders häufig sind Bewegungsstörungen, die vom Gehirn ausgehen. Diese Bewegungsstörungen man "extrapyramidal-motorische Symptome".
Zu Beginn der Behandlung kommt es häufig zu so genannten Frühdyskinesien. Als Dyskinesien werden spontan auftretende, unwillkürliche Bewegungen,
zum Beispiel Zungen- und Blickkrämpfe bezeichnet.
Innerhalb weniger Wochen können Symptome einer durch Neuroleptika ausgelösten Parkinson-Erkrankung auftreten.
Bewegungsarmut (Akinese), erhöhte Muskelspannung (Rigor) und Zittern (Tremor) sind solche möglichen Symptome.
So genannte Spätdyskinesien treten erst nach länger dauernder Neuroleptika-Einnahme auf. Sie äußern sich zum Beispiel als Schmatz- und Zungenbewegungen.
Diese Symptome bleiben bei einigen Patienten auch nach Absetzen der Neuroleptika bestehen. Bei anderen Patienten kann es zu Bewegungsunruhe (Akathisie) kommen.
Dies meint die Unfähigkeit, ruhig sitzen bleiben zu können.
Je nach dem welche Dopaminrezeptoren ein typisches Neuroleptikum stärker blockiert, können sich die Auswirkungen stark unterscheiden.
So vermag ein gezielt auf die Rezeptoren D2 und D3 wirksames Neuroleptikum wie Tiaprid Bewegungsstörungen sogar zu unterdrücken.
Weitere unerwünschte Wirkungen der typischen Neuroleptika betreffen das vegetative Nervensystem.
Zu nennen sind hier unter anderem starke Müdigkeit, Mundtrockenheit, Schwitzen und Verstopfung.
Schwach antipsychotische Neuroleptika rufen meist weniger Bewegungsstörungen hervor als die stark auf Psychosen wirkenden Neuroleptika,
verursachen aber dafür mehr Störungen des vegetativen Nervensystems.
Die Nebenwirkungen sind teilweise behandelbar, jedenfalls die Frühdyskinesien.
Bei den atypischen Neuroleptika, die später entwickelt wurden als die typischen, liegt ein etwas anderes Wirkprinzip vor.
Neben unterschiedlich ausgeprägter Blockade der Bindungsstellen D1 bis D4 für Dopamin zeigen diese Substanzen meist noch hemmende Wirkungen auf Serotonin-Rezeptoren und Bindungsstellen anderer Botenstoffe im Gehirn.
Es kommt zu wesentlich weniger Nebenwirkungen als bei den typischen Neuroleptika. Besonders Bewegungsstörungen, aber auch Müdigkeit treten deutlich seltener auf.
Außerdem wirken atypische Neuroleptika besser als die typischen auf die Zeichen der so genannten Negativ-Symptomatik (Gefühlsverflachung, sozialen Rückzug, Antriebsmangel).
Atypische Neuroleptika sind besonders zur Rezidivprophylaxe geeignet.
Zu den atypischen Neuroleptika gehören die Wirkstoffe Sulpirid, Clozapin, Risperidon (Risperdal), Amisulprid, Quetiapin, Olanzapin, Ziprasidon und andere.
Generell ist bei einer Einnahme von Neuroleptika immer die möglicherweise eingeschränkte Reaktionsfähigkeit zu beachten,
auch bei den moderneren atypischen Wirkstoffen. Daher dürfen Neuroleptika auch nicht zusammen mit Alkohol und Beruhigungsmitteln
(die ebenfalls dämpfend wirken) eingenommen werden. Dies kann zu einer gefährlichen Wirkungsverstärkung führen.
Eine spezielle Nebenwirkung der Neuroleptika ist das so genannte maligne neuroleptische Syndrom.
Hier kommt es zu Fieber, Muskelsteifigkeit und Bewegungsstarre, aber auch zu Bewusstseinsstörungen, starkem Schwitzen und beschleunigter Atmung.
Das maligne neuroleptische Syndrom ist zwar sehr selten, aber möglicherweise lebensbedrohlich. Besonders junge Männer sind gefährdet.
_________________
Free your mind and your ass will follow!
Nach oben
Marion
Administrator
Geschlecht:
Alter: 52
Angemeldet seit: 03.11.2007
Beiträge: 3748
Verfasst am: 09.Mai.08 22:21 Nr: 1546 Titel:
abschließend zur Behandlung von psychotischen Erkrankungen und anderen schwerwiegenden psychischen Störungen, bei denen Neuroleptika zum Einsatz kommen:
Die Medikamente alleine sind nicht ausreichend zur Behandlung oder Vorbeugung. Immer soll die Behandlung umfassend sein und alle Lebensbereiche berücksichtigen, von Unterstützung bei der Wiedergewinnung alltäglicher Fähigkeiten wie Körperpflege, Ernährung, Tagesrhythmus, über Pflege von Talenten, der beruflichen Perspektive, der sozialen Beziehungen, der spirituellen Bedürfnisse und der Sinnfragen.
Eine Psychotherapie gehört auch dazu, wobei bei Menschen mit psychotischen Krankheiten hier sehr vorsichtig vorgegangen werden muss.
Ein Ruhigstellen und Wegsperren unter Psychopharmaka Ist nicht der Sinn der Behandlung.
Es gibt Ansätze, Menschen durch psychotische Phasen ohne Medikamente zu begleiten, mit einer 24stündigen Einzelbetreuung. Für einige mag das machbar sein, für andere wäre es ein echter Horrortrip.
Nach meiner Erfahrung gibt es kein ultimatives Rezept. Aber meine Erfahrung sagt auch, dass oft nicht verantwortungsvoll mit der Medikation umgegangen wird. Unser Gesundheitswesen ist eben nicht optimal ausgestattet und nicht wirklich individuell.
Da haben wir mit "unserer" Klinik großes Glück gehabt. Aber auch die Cadus können nicht alles bewältigen.
Ich möchte, trotz der vielen Nebenwirkungen die eintreten können, nicht gänzlich gegen Neuroleptika sprechen. Wie auch bei den anderen Medikamenten, können sie ein Segen sein und oft lebensrettend. Und wenn wir zurückschauen, wie kranke Menschen in Zeiten gelitten haben, bevor es diese Medikamente gab, dann können wir nur froh sein. Aber es gibt wie in allem auch einen Mißbrauch.
Damit hab ich den größten Teil der Standardmedikationen erwähnt glaube ich. Es gibt noch ein paar seltener verwendete Mitteln, wie z.B. Antiepileptika, die heute auch zur Phasenprophylaxe bei bipolaren Erkrankungen eingeetzt werden. Vielleicht schreib ich nochmal was dazu bei Gelegenheit.
Oder die Barbiturate, die alten Schlafmittel, die sehr suchterzeugend sind und deshalb kaum noch im Gebrauch.
Ansonsten tummel ich mich jetzt vielleicht mal eher im Bereich Diskussion....
Gaby mag diesen Beitrag
Befugnisse in diesem Forum
Sie können in diesem Forum antworten