Stern Artikel Harald Welzer
Di Nov 14, 2023 1:58 am
GerLinde
Stern Artikel Harald Welzer
Der Sozialpsychologe Harald Welzer ist erstaunt, wie schnell längst überholt geglaubte Ansichten sich nun im Zuge des Ukraine-Kriegs wieder breitmachen.
Harald Welzer
"Wir werden bis zum Ende kämpfen. Wir werden weiter für unser Land kämpfen, koste es, was es wolle, in den Wäldern, auf den Feldern, an den Ufern, auf den Straßen." So der ukrainische Präsident Selenskyj in einer Video-Rede vor dem britischen Unterhaus am 8. März. Okay, es wird jetzt niemanden überraschen, dass der Medienprofi Selenskyj auch Churchill kann, aber solche Rhetorik verfängt doch auf erstaunliche Weise: Der ganze Westen ist ergriffen.
Aber hätte noch vor vier Wochen irgendjemand in Deutschland außer notorischen Rechten applaudiert, wenn jemand "bis zum Ende kämpfen" wollte? Hätte irgendjemand gewählten Vertretern eines modernen Staates ernsthaft Bewunderung gezollt, die in olivgrünen T-Shirts vor die Kamera treten, unrasiert und übernächtigt, damit man ihnen den Dauereinsatz für ihr Land auch abnimmt und ihre Abgekämpftheit auch glaubt, wenn man nicht mal weiß, in welchem Studio die Aufnahmen gemacht werden? Weiter: Wer hätte es für gut gehalten, dass Begriffe wie "Tapferkeit", "Vaterland", "Held" usw. usf. plötzlich nicht nur sagbar, sondern positiv verstanden werden könnten?
"Was sind das für Rollenbilder, die hier gefeiert werden?"
Zur Erinnerung: In vielen westlichen Ländern herrschte bis zum 24. Februar ein zum Teil ins Bizarre ausfransender Krieg um korrekte Sprache, in der um Gottes Willen auch nicht die allergeringste Spur von real existierender Gewalt mehr aufscheinen durfte. Student*innen forderten Triggerwarnungen und begannen Referate zu halten, in denen – unbesorgt um jede historische Tatsache – etwa von "Diktator*innen" die Rede war, und sie bildeten jederzeit sprachkampfbereite Einsatzgruppen, wenn jemand etwas aus ihrer Sicht Falsches sagte. Sie schleiften Heldendenkmäler und attackierten toxische Männlichkeit – und nun, von einem Tag auf den anderen, gibt es plötzlich männliche Kriegshelden, die martialisch agitieren und dafür Titel wie "Widerstandsikone" oder "Freiheitsheld" verliehen bekommen, sogar vom stern.
Und nicht nur das: Die Medien bringen ohne Unterlass Berichte von (wehrlosen) Frauen und Kindern, die weinend in Sicherheit gebracht wurden, während die Männer sich mannhaft die Tränen aus den Augen wischten und an die Front gingen. Tapferes Volk, die Ukrainer, jaja, und nirgends von der Genderfront hört man auch nur die Frage: "Moment mal, was sind denn das für Rollenbilder, die hier gefeiert werden? Ist gerade 1914?" Und neuerdings spricht Selenskyj gar vom Volkskrieg, das ist 19. Jahrhundert pur.
Stern Artikel Harald Welzer
Der Sozialpsychologe Harald Welzer ist erstaunt, wie schnell längst überholt geglaubte Ansichten sich nun im Zuge des Ukraine-Kriegs wieder breitmachen.
Harald Welzer
"Wir werden bis zum Ende kämpfen. Wir werden weiter für unser Land kämpfen, koste es, was es wolle, in den Wäldern, auf den Feldern, an den Ufern, auf den Straßen." So der ukrainische Präsident Selenskyj in einer Video-Rede vor dem britischen Unterhaus am 8. März. Okay, es wird jetzt niemanden überraschen, dass der Medienprofi Selenskyj auch Churchill kann, aber solche Rhetorik verfängt doch auf erstaunliche Weise: Der ganze Westen ist ergriffen.
Aber hätte noch vor vier Wochen irgendjemand in Deutschland außer notorischen Rechten applaudiert, wenn jemand "bis zum Ende kämpfen" wollte? Hätte irgendjemand gewählten Vertretern eines modernen Staates ernsthaft Bewunderung gezollt, die in olivgrünen T-Shirts vor die Kamera treten, unrasiert und übernächtigt, damit man ihnen den Dauereinsatz für ihr Land auch abnimmt und ihre Abgekämpftheit auch glaubt, wenn man nicht mal weiß, in welchem Studio die Aufnahmen gemacht werden? Weiter: Wer hätte es für gut gehalten, dass Begriffe wie "Tapferkeit", "Vaterland", "Held" usw. usf. plötzlich nicht nur sagbar, sondern positiv verstanden werden könnten?
"Was sind das für Rollenbilder, die hier gefeiert werden?"
Zur Erinnerung: In vielen westlichen Ländern herrschte bis zum 24. Februar ein zum Teil ins Bizarre ausfransender Krieg um korrekte Sprache, in der um Gottes Willen auch nicht die allergeringste Spur von real existierender Gewalt mehr aufscheinen durfte. Student*innen forderten Triggerwarnungen und begannen Referate zu halten, in denen – unbesorgt um jede historische Tatsache – etwa von "Diktator*innen" die Rede war, und sie bildeten jederzeit sprachkampfbereite Einsatzgruppen, wenn jemand etwas aus ihrer Sicht Falsches sagte. Sie schleiften Heldendenkmäler und attackierten toxische Männlichkeit – und nun, von einem Tag auf den anderen, gibt es plötzlich männliche Kriegshelden, die martialisch agitieren und dafür Titel wie "Widerstandsikone" oder "Freiheitsheld" verliehen bekommen, sogar vom stern.
Und nicht nur das: Die Medien bringen ohne Unterlass Berichte von (wehrlosen) Frauen und Kindern, die weinend in Sicherheit gebracht wurden, während die Männer sich mannhaft die Tränen aus den Augen wischten und an die Front gingen. Tapferes Volk, die Ukrainer, jaja, und nirgends von der Genderfront hört man auch nur die Frage: "Moment mal, was sind denn das für Rollenbilder, die hier gefeiert werden? Ist gerade 1914?" Und neuerdings spricht Selenskyj gar vom Volkskrieg, das ist 19. Jahrhundert pur.
Gaby mag diesen Beitrag
Re: Stern Artikel Harald Welzer
Di Nov 14, 2023 2:01 am
Uwe
Wem gehört unser Leben?
Guten Morgen.
Ich weiß nicht, ob ihr gestern den Film geschaut habt.
Vor dem Ethikrat sitzt ein Mann, 78 Jahre alt, der sterben will. Er hat seine Ärztin um ein Medikament gebeten, das ihn sterben lässt.
Gehört werden seine Ärztin, eine Juristin, der Vorsitzende des Ärzteverbandes und ein Bischof. Zum Schluss dürden die Fernsehzuschauer abstimmen, ob der Mann das Sterbe"medfikament" bekommen soll oder nicht.
Ich finde den Film sehr gut gemacht. Auch die Argumente des Bischofs haben mich nachdenklich gestimmt, wobei ich ja gegenüber der Religion eine Reihe Vorbehalte habe.
Es gibt Phasen, in denen ich auch mir die "Exit-Pille" wünsche. Alleine sie zu haben wäre schon eine große Beruhigung. Natürlich weiß ich darum, dass wir angeblich das, was wir jetzt und hier vermeiden wollen, dann in der nächsten Inkarnation wieder vorgesetzt bekommen. Das steht sogar so in "Gespräche mit Gott". Ob es also eine gute Idee ist, in den Freitod zu gehen, sei dahingestellt; wir können es nicht wissen. Trotzdem glaube ich, dass der freie Wille das höchste Gut ist und das weder Gesellschaft noch Religion sich einzumischen haben, wenn ein Mensch sterben will.
Mal abgesehen davon wird ein Mensch, der fest entschlossen ist, in den Freitod zu gehen, andere Wege finden dies zu tun, wenn ihm die Exit-Pille verweigert wird.
Ich bin gespannt auf eure Meinungen zu diesem Thema.
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Gaby
Ich habe den Film nicht gesehen, nur die Schauspielerin war bei NDR auf dem roten Sofa und da haben sie darüber viel gesprochen.
Das Thema ist sehr sehr interessant.
Wenn der Film nochmal kommt, bzw. wenn es mir besser geht, gucke ich den nach in der Mediathek.
Zum jetzigen Zeitpunkt, bin ich mit mir alleine und den Schmerzen der Migräne genug beschäftigt.
Grundsätzlich bin ich dafür, dass jeder das Recht hat, über sein Leben und auch Sterben frei zu entscheiden.
Ich sehe es auch als alleiniges Recht einer Schwangeren über ihre Schwangerschaft zu entscheiden. Sehr empfindliches Thema, da ja einige Erzeuger der Meinung sind, er könnte ja das Kind aufziehen, wenn die Mutter es nicht will. Da geht es mir in 1. Linie darum, das die Frau einzig und alleine über ihren Körper zu entscheiden hat. Niemand sonst. Denn sie muss damit zurecht kommen.
Ich schweife ab...
Ist abee genau so interessant...
Also, Uwe, warten wir mal...was sich hier tut
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Heike
Ich habe auch nur Christiane Paul auf dem roten Sofa gesehen und den Film nicht geschaut. Grundsätzlich hat jeder die Möglichkeit freiwillig aus dem Leben zu gehen, leider aber in der Regel unter brutalen Umständen oder gar zum Schaden Beteiligter, wie z.B. den Zugführer. Dazu kommt, dass manche Methoden auch unsicher sind.
Ob es da eine offizielle Erlaubnis geben sollte, weiß ich nicht, bzw. bin da zwiegespalten. Kürzlich sah ich einen Betrag, in dem ein Ehepaar in die Schweiz fuhr, damit der Ehemann dort sterben konnte. Seine Entscheidung war für mich absolut nachvollziehbar und auch die Ehefrau hat das mitgetragen.
Manchmal ist es aber auch eine Entscheidung, die man kurze Zeit später revidieren möchte und das geht dann nicht mehr. Dazu kommt, dass die Erfahrung mich davon überzeugt hat, dass diese Erlaubnis missbräuchlich genutzt werden würde.
Und dann frage ich mich, was mit denen ist, die schwerkrank im Bett liegen, sterben wollen, aber weder sagen können, dass sie sterben wollen, noch in der Lage sind die Pille selbst zu schlucken.
Von meinen 3 Suizidversuchen war nur 1er wirklich ernst gemeint und rückblickend bin ich froh, dass keiner geklappt hat.
Ärztliche Sterbehilfe sollte besser möglich sein, das zumindest kann ich sagen. Das ist eines der schwierigen Themen bei dem es nicht schwarz oder weiß gibt meinem Empfinden nach.
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Uwe
Danke für Deine Offenheit, Heike.
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wir_a
Mir fällt dabei immer ein, dass einem Tier auch der Gnadenschuß gegeben wird und dies Wort sollte nicht leichtfertig genommen werden. Dann allerdings in diesen Situationen, wo es eben ein Gnade wäre, gehen zu dürfen, da gibt es sie bei Menschen nicht. Es ist schwer es so hinzubekommen, dass der letzte Schritt eben genau abgwogen wird und nicht missbrauchbar ist. Wenn ich dann von einer Frau höre die über 100 Jahre ist und meint sie hat gelebt, sie würde jetzt so gerne gehen dürfen, frage ich mich muss erst gewartet werden bis sie sich nur noch quält. Dabei sehe ich nicht das alter, sondern wann es für jemanden wirklich noch Lebenswert ist. Und denn besteht die Gefahr von Kruzschlussreagtionen, wo jemand geht weil er eigentlich nur schreien will, seht mich doch nimmt mir etwas von der Last, so damit die Schmerzen aushaltbar sind.
Ich weiß wie schwer bei meiner kleinen die Entscheidung war, wann es zum leiden wird und genau die Entscheidung würde ich gerne auch irgendwann einmal selber treffen dürfen.
Bin da aber zweigeteilt.
Wem gehört unser Leben?
Guten Morgen.
Ich weiß nicht, ob ihr gestern den Film geschaut habt.
Vor dem Ethikrat sitzt ein Mann, 78 Jahre alt, der sterben will. Er hat seine Ärztin um ein Medikament gebeten, das ihn sterben lässt.
Gehört werden seine Ärztin, eine Juristin, der Vorsitzende des Ärzteverbandes und ein Bischof. Zum Schluss dürden die Fernsehzuschauer abstimmen, ob der Mann das Sterbe"medfikament" bekommen soll oder nicht.
Ich finde den Film sehr gut gemacht. Auch die Argumente des Bischofs haben mich nachdenklich gestimmt, wobei ich ja gegenüber der Religion eine Reihe Vorbehalte habe.
Es gibt Phasen, in denen ich auch mir die "Exit-Pille" wünsche. Alleine sie zu haben wäre schon eine große Beruhigung. Natürlich weiß ich darum, dass wir angeblich das, was wir jetzt und hier vermeiden wollen, dann in der nächsten Inkarnation wieder vorgesetzt bekommen. Das steht sogar so in "Gespräche mit Gott". Ob es also eine gute Idee ist, in den Freitod zu gehen, sei dahingestellt; wir können es nicht wissen. Trotzdem glaube ich, dass der freie Wille das höchste Gut ist und das weder Gesellschaft noch Religion sich einzumischen haben, wenn ein Mensch sterben will.
Mal abgesehen davon wird ein Mensch, der fest entschlossen ist, in den Freitod zu gehen, andere Wege finden dies zu tun, wenn ihm die Exit-Pille verweigert wird.
Ich bin gespannt auf eure Meinungen zu diesem Thema.
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Gaby
Ich habe den Film nicht gesehen, nur die Schauspielerin war bei NDR auf dem roten Sofa und da haben sie darüber viel gesprochen.
Das Thema ist sehr sehr interessant.
Wenn der Film nochmal kommt, bzw. wenn es mir besser geht, gucke ich den nach in der Mediathek.
Zum jetzigen Zeitpunkt, bin ich mit mir alleine und den Schmerzen der Migräne genug beschäftigt.
Grundsätzlich bin ich dafür, dass jeder das Recht hat, über sein Leben und auch Sterben frei zu entscheiden.
Ich sehe es auch als alleiniges Recht einer Schwangeren über ihre Schwangerschaft zu entscheiden. Sehr empfindliches Thema, da ja einige Erzeuger der Meinung sind, er könnte ja das Kind aufziehen, wenn die Mutter es nicht will. Da geht es mir in 1. Linie darum, das die Frau einzig und alleine über ihren Körper zu entscheiden hat. Niemand sonst. Denn sie muss damit zurecht kommen.
Ich schweife ab...
Ist abee genau so interessant...
Also, Uwe, warten wir mal...was sich hier tut
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Heike
Ich habe auch nur Christiane Paul auf dem roten Sofa gesehen und den Film nicht geschaut. Grundsätzlich hat jeder die Möglichkeit freiwillig aus dem Leben zu gehen, leider aber in der Regel unter brutalen Umständen oder gar zum Schaden Beteiligter, wie z.B. den Zugführer. Dazu kommt, dass manche Methoden auch unsicher sind.
Ob es da eine offizielle Erlaubnis geben sollte, weiß ich nicht, bzw. bin da zwiegespalten. Kürzlich sah ich einen Betrag, in dem ein Ehepaar in die Schweiz fuhr, damit der Ehemann dort sterben konnte. Seine Entscheidung war für mich absolut nachvollziehbar und auch die Ehefrau hat das mitgetragen.
Manchmal ist es aber auch eine Entscheidung, die man kurze Zeit später revidieren möchte und das geht dann nicht mehr. Dazu kommt, dass die Erfahrung mich davon überzeugt hat, dass diese Erlaubnis missbräuchlich genutzt werden würde.
Und dann frage ich mich, was mit denen ist, die schwerkrank im Bett liegen, sterben wollen, aber weder sagen können, dass sie sterben wollen, noch in der Lage sind die Pille selbst zu schlucken.
Von meinen 3 Suizidversuchen war nur 1er wirklich ernst gemeint und rückblickend bin ich froh, dass keiner geklappt hat.
Ärztliche Sterbehilfe sollte besser möglich sein, das zumindest kann ich sagen. Das ist eines der schwierigen Themen bei dem es nicht schwarz oder weiß gibt meinem Empfinden nach.
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Uwe
Danke für Deine Offenheit, Heike.
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wir_a
Mir fällt dabei immer ein, dass einem Tier auch der Gnadenschuß gegeben wird und dies Wort sollte nicht leichtfertig genommen werden. Dann allerdings in diesen Situationen, wo es eben ein Gnade wäre, gehen zu dürfen, da gibt es sie bei Menschen nicht. Es ist schwer es so hinzubekommen, dass der letzte Schritt eben genau abgwogen wird und nicht missbrauchbar ist. Wenn ich dann von einer Frau höre die über 100 Jahre ist und meint sie hat gelebt, sie würde jetzt so gerne gehen dürfen, frage ich mich muss erst gewartet werden bis sie sich nur noch quält. Dabei sehe ich nicht das alter, sondern wann es für jemanden wirklich noch Lebenswert ist. Und denn besteht die Gefahr von Kruzschlussreagtionen, wo jemand geht weil er eigentlich nur schreien will, seht mich doch nimmt mir etwas von der Last, so damit die Schmerzen aushaltbar sind.
Ich weiß wie schwer bei meiner kleinen die Entscheidung war, wann es zum leiden wird und genau die Entscheidung würde ich gerne auch irgendwann einmal selber treffen dürfen.
Bin da aber zweigeteilt.
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